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Geschlossene Gesellschaft

Man darf seine Gäste bitten, Stöckelschuhe an der Wohnungstür auszuziehen. In mitzubringenden Kuchen auf Nüsse, Eier, Milch und Weizenmehl zu verzichten. Haarende Haustiere, bis nach Mitternacht krakeelende Kinder, die Schwiegermutter am Dinnertisch zu ertragen. Bei strömendem Regen auf dem unüberdachten Balkon zu rauchen. Alles kein Problem.

Es gibt für Gastgeber nur noch ein letztes No go: Ausladen.

19.6.2012, per Mail: „Save the date: Am Samstag nach den großen Ferien feiert Lotta ihren 7. Geburtstag und würde sich freuen, wenn Jule kommt. Einladung folgt!“
30.7.2012, per Mail: „Leider hat es sich so ergeben, dass wir Lottas Geburtstag jetzt doch in deutlich kleinerem Rahmen feiern als ursprünglich vorgesehen. Lotta hatte die Qual der Wahl und hat sich jetzt dafür entschieden, nur den allerengsten Freundeskreis einzuladen. Wir hoffen sehr, dass Jule trotz der Ankündigung nicht allzu sehr enttäuscht sein wird. Vielleicht können Lotta und Jule ja mal eine kleine, eigene Fete für sich feiern… Liebe Grüße, K.“

Bitte? Jule darf nicht mitfeiern? Nachmittags mütterliche Inquisition: „Sag mal, habt Ihr Euch gezankt?“ „Nö.“ „Hat Lotta vielleicht das Gefühl, dass Ihr Euch gezankt habt?“ „Nöhöö.“ „Ist irgendwas passiert, was…“ „Mann, Mama!“ „Aber was…?“ „Weiß ich doch auch nicht!“ Abgang zum Kinderzimmer mit knallender Tür.

Endlich versteht man, welche Gefühle in Guido aus Pinneberg explodieren, wenn ihm bei seiner Saturday Night-Sause in Hamburg vor dem „Golden Cut“-Club zu verstehen gegeben wird, dass hier lieber ohne ihn gefeiert wird. Und ähnlich wie Guido den Impuls niederkämpft, dem Mann an der Tür die mitgebrachte Bierflasche über den Schädel ziehen, träumt Mutti plötzlich davon, am 30. die Luftballons an Lottas Gartenzaun mit der Regenschirmspitze anzupieken, die Party zu stürmen, auf der Geburtstagstafel in die Apfelschorle spucken und jeden rosa glasierten Dinkelmuffin einzeln mit der Faust zu zertrümmern.

Ausladen geht gar nicht.

Drei Tage später kommt das Kind aus der Schule, strahlend. „Ich darf doch kommen, Lotta hat mich wieder eingeladen!“ A-ha. „Sprengt das nicht den ,kleinerem Rahmen‘?“ zickt Mutti schmallippig und noch immer stellvertretend beleidigt. Das Kind marschiert seelenruhig in sein Zimmer, das unter dem Bett vergrabene Lotta-Geschenk wieder hervorkramen und erklärt mitleidlos: „Nee – weil, dafür hat sie Franka ausgeladen.“

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