Ok, ok – die Amerikaner können feiern, das geben wir neidlos zu. Das besinnungslose Weihnachtsshoppen mit einer nicht minder besinnungslosen Völlerei einzuläuten – prima Idee, Folks, wir sind dabei! Und auch einmal im Jahr mit Schmackes „Danke“ sagen, für Wohlstand und Wellness, Glück (oft) und Gesundheit (überwiegend), Freunde und Familie – geht klar.
Gibt´s bei uns ja schließlich auch, Erntedankfest. Doch anstatt dafür einen richtig amtlichen nationalen Großfeiertag auszurufen, verliert sich Deutschland in ökumenischer Kleinkrämerei. Die Katholiken feiern am ersten Sonntag im Oktober, die evangelischen Gemeinden am Michaelistag, dem 29. September, oder auch erst am Sonntag darauf. So kann das ja nix werden!
Sei´s drum, es gibt noch andere Gelegenheiten, es mit den Weltmächten aufzunehmen.
Unsere Geheimwaffe heißt St. Martin! (Und davon hat, wetten, noch kein Amerikaner was gehört) Die Gans schlägt den trockenen Truthahn um Längen – und zugegebenermaßen wären wir in dieser Competition bei deutschen Backofenmaßen ohnehin nicht mit im Rennen. Cranberries vs. Preisselbeeren – unentschieden, würden wir sagen. Knödel vs. matschiges Süßkartoffelpüree – das bedarf keines Kommentars. Unser entscheidender Wettbewerbsvorteil aber liegt ohnehin auf der emotionalen Ebene: Während Thanksgiving in den USA ein echter Pflichttermin ist, ein Familienfest mit allem, was dazugehört, anstrengenden Eltern, langweiligen Onkels, zickigen Schwägerinnen, nervenden Neffen und Nichten, und daher ein beliebtes Setting von Filmen und Romanen, in denen Tränen fließen, Familiengeheimnisse offenbart und Tabus gebrochen werden, können wir zum Martinsgansessen einfach einladen, auf wen wir gerade Lust haben. Und das haben wir auch getan…. woala!
15:30 Uhr ist ein Termin, der zehn Monate lang im Partykalender eine nur untergeordnete Rolle spielt: eine halbe Stunde zu spät für die klassische Kaffeetafel, anderthalb Stunden vor der Tea Time – auf halb vier lädt man höchstens zum Kindergeburtstag ein. Einmal im Jahr aber ist 15:30 die einzig richtige, die perfekte Zeit: am 11. November. Denn wer sich um halb vier zu Gans, Kohl und Klößen niederlässt, hat eine realistische Chance – zügiges Essen und den Verzicht auf Verdauungsschnäpse vorausgesetzt – die gut 2.000 Kalorien dieses Menüs bis zum Schlafengehen durch vier Stunden langsames Joggen unschädlich zu machen.
Na, geschockt? Jawohl, 2.000 ist die Zahl des Tages – und zwar ohne Rotwein, Bier und Jubi-Akquavit. Aber weil hier nicht die Eat Smarter-, sondern die fett.-Redaktion an der Tastatur sitzt, ist mit schlimmeren Botschaften nicht zu rechnen.
Aus diesem und anderen Gründen möchten wir die in diesem Jahr erstmals selbst erprobte 15:30 wärmstens empfehlen. Es ist doch so: Isst man die Gans am Abend, kann man nicht gut schlafen, schließlich sendet der Magen dem Hirn im 30-Sekundentakt : Aufstehen! Holz hacken! Bären jagen, Nüsse sammeln – der Winter kommt! Isst man sie zu Mittag, würde man zwar gern schlafen – kann aber meistens auch nicht: „Ihr erlaubt doch“ und dann Schuhe aus und Füße hoch, das ist nur im engsten Familienkreis gestattet, und auch dort eigentlich nur Onkel Gustav.
15:30 also, für´s fett.-Publikum getestet und für gut befunden! Um sechs sind alle satt, um 18.30 Uhr entfaltet der Schnaps seine belebende Wirkung und man kann mit ruhiger Hand souverän die Laterne entzünden. Oder die Joggingschuhe…