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Gruselgegrummel

Konsumkritik ist eigentlich nicht unser Metier, doch einmal im Jahr paaren sich Dekadenz und Geschmacklosigkeit auf so obszöne Weise, dass es einen gruselt – und dieses Gefühl wird zum Programm: Wenn sich bei Penny kreisch-orangefarbene Plastekürbisse zum An-die-Wand-hängen oder Vor-die-Haustür-stellen stapeln, wenn dreiste Kinder in doofer Verkleidung im Pulk rechtschaffene Kaufleute überfallen und „Süßes“ (oder Saures) erpressen, wenn der Bäcker an der Ecke leichenblasse Glasur mit Spinnweb-Dekor auf  seine Plunderteilchen aufbringt, dann ist Halloween. Ein lustiges Fest mit langer, europäischer Tradition (jawohl, denn Halloween wurde weder von den Amerikanern noch von der internationalen Süßwarenindustrie erfunden, sondern von den Iren). Kinder lieben Geister, Monster, Hexen, Würmer, Spinnen, Splatter. Kinder lieben Züge durch die Nachbarschaft, Aktivitäten in der Dunkelheit, Verkleiden, verkleidetes Essen. Die Muffins glotzen mit glibbrigen blutunterlaufenen Augäpfeln vom Buffet? Buuuuuh! 

Klar ist, wer Kinder hat, kommt an Halloween nicht vorbei. Aber eigentlich stellt man sich doch manchmal die Frage: Warum, zum Teufel, müssen gut genährte, keinesfalls unterzuckerte Kinder bei fremden Leuten um Süßigkeiten betteln? Warum werden selbst Vorschulkinder, die sich noch nicht trauen, an unbekannten Haustüren zu klingeln, mit Geleitschutz der Eltern („Und jetzt sag´ den Spruch auf, Henriettchen!“) zum Betteln getrieben? Warum müssen mit amerikanischer Partykultur nicht vertraute Senioren, kinderlose Berufstätige, die sich den 31.10. nicht rot im Kalender eingekringelt haben und Menschen, die schlicht keine Lust auf Halloween haben, Senf, Rasierschaum oder rohe Eier von ihren Fenstern oder Türklinken kratzen, wenn sie beim aus dem Treppenhaus schallenden Kampfruf  „Trick or Treat“ das einzig Richtige tun: den frechen Gören die Tür vor der Nase zuknallen? Und wie, bitteschön, schaffen es andere Familien, in den nicht mal vier Wochen, bis das erste Adventskalendertürchen geöffnet wird, die Tonnen von orange-schwarz-roten Süßigkeiten zu vernichten???

Aber deswegen Halloween genervt boykottieren? Sozusagen ausboohen? Nee, vielleicht einfach genau andersherum, und dabei andere große Konsumfeste im Jahr zum Vorbild nehmen:  „Brot statt Böller“ sitzt uns schließlich auch jedes Jahr im Nacken, wenn wir am 29. Dezember in den plastikverpackten Raketensets aus China wühlen. Und das führt beim einen oder anderen am Ende vielleicht tatsächlich dazu, dass nach der Weihnachtsabsolutionsspende in der Adventszeit noch mal mit dem Überweisungsschein nachgelegt wird. Oder zumindest der Jahresend-Dankeschön-Streich für Müllmann und Briefträger eine Nummer größer ausfallen. Wenn wir an Halloween schon unsere Kinder zum Betteln auf die Straße begleiten, warum betteln wir dann nicht für etwas Gutes?

 

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